Al-Chidr

Chidr an der Lebensquelle, im Hintergrund Alexander der Große, persische Miniatur, 16. Jh., Walters Art Museum

Al-Chidr (arabisch الخضر, DMG al-Ḫiḍr oder al-Ḫaḍir ‚der Grüne‘, türkisch Hızır) ist ein islamischer Heiliger, der als Symbol für die sich zyklisch erneuernde Vegetation und Personifikation des Guten einen festen Platz in der Vorstellungswelt der Muslime hat. Einige Muslime betrachten ihn auch als Propheten. Nach verbreiteter Vorstellung lebt al-Chidr in der Verborgenheit und wird nur gelegentlich einzelnen Menschen sichtbar, wobei er unterschiedliche Gestalt annehmen kann. Hinsichtlich seiner Erscheinungen und seiner Fähigkeit, durch den Raum zu schweben, weist al-Chidr Ähnlichkeiten mit einem Engel auf, doch handelt es sich nach allgemeiner Auffassung nicht um einen Engel, sondern um einen Menschen aus früheren Zeiten, dem Gott das Leben über das gewöhnliche Maß hinaus verlängert hat; erst am Ende der Zeiten soll er sterben. Über den Grund dieser Lebensverlängerung gibt es verschiedene Legenden.

Eine der wichtigsten Grundlagen für die islamische Chidr-Verehrung ist die koranische Erzählung über den frommen Gottesknecht, der Moses auf die Probe stellt (Sure 18:65–82). Aufgrund eines Hadiths wurde dieser Gottesknecht mit al-Chidr identifiziert. Sufis betrachteten al-Chidr wegen dieser Erzählung als ein wichtiges Rollenvorbild. In einer besonders engen Beziehung steht al-Chidr auch zu dem biblischen Propheten Elias. Nach einem verbreiteten Glauben ist die Erde zwischen al-Chidr und Elias aufgeteilt, wobei die beiden jährlich einmal zusammenkommen sollen. In Anatolien und bei verschiedenen muslimischen Gruppen auf dem Balkan und in Osteuropa wird diese Zusammenkunft am 6. Mai mit dem Hıdrellez-Fest gefeiert.

Als Vegetations- und Wasserheiliger wird al-Chidr auch von den Zoroastriern im Iran, den Jesiden im Irak, den Hindus im Punjab und den orientalischen Christen in der Levante verehrt. Letztere setzen ihn mit dem Heiligen Georg gleich. Seit dem 18. Jahrhundert ist al-Chidr darüber hinaus in der westlichen Literatur eine beliebte Figur als spiritueller Führer von Dichtern und Menschen, die einen mystischen Weg beschreiten. Die UNESCO hat 2016 das mit al-Chidr verbundene Brauchtum im Irak[1] und 2017 das Hıdrellez-Fest[2] in die Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufgenommen. Innerhalb des Islams gibt es allerdings auch Kritik an der Chidr-Verehrung. So haben verschiedene muslimische Gelehrte Bücher verfasst, in denen sie den Glauben an das Fortleben al-Chidrs und seine Funktion als Vorbild für antinomistisches Verhalten zurückgewiesen haben. Einer der schärfsten Kritiker der Chidr-Frömmigkeit war der hanbalitische Gelehrte Ibn al-Dschauzī (gest. 1200).

  1. UNESCO: Khidr Elias feast and its vows. UNESCO Intangible Cultural Heritage, 2016
  2. Spring celebration, Hıdrellez. UNESCO Intangible Cultural Heritage, 2017.

From Wikipedia, the free encyclopedia · View on Wikipedia

Developed by Nelliwinne